Ausdauertraining und Menstruationszyklus

Im Rahmen der Trainerausbildung A im Bund deutscher Radfahrer (BDR) ist das Thema "Frauen im Leistungssport" ein eigenständiges und ausführliches Modul. Ein spannendes Thema! Ich habe es für meine Hausarbeit im Rahmen der Trainer A Ausbildung ausgewählt, die Du im folgenden lesen kannst.

 

Meine Ausarbeitung und Thesen beziehen sich auf einem hervorragenden Artikel in der Fachzeitschrift "Leistungsport" 2/2023 von Prof. Dr. med. Petra Platen, Lehrstuhl für Sportmedizin und  Sporternährung, Fakultät für Sportwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum.

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Leistungsfähigkeit_MZ_Platen_2023-2.pdf
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Summary
"Performance and trainability as a function of the menstrual cycle phase Female athletes are not simply miniature male athletes. It is necessary to consider female-specific aspects in the training process and thus optimize performance development. In elite female athletes, there seems to be a possible correlation between the menstrual cycle and some selected performance-related variables, such as endurance or strength, mental decision-making ability or readiness to compete."

 

Oder mit eigenen Worten: Der Stand der Wissenschaften ist absolut in den Kinderschuhen. Wir wissen gesichert nur, dass das Thema sehr individuell grundverschieden erlebt wird. Frauen berichten sehr different über Erfahrungen zur Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit im Verlauf des Zyklus. Die Übertragbarkeit verschiedener Studien auf den Leistungssport ist schwierig.

 

Dr. Andrea Jeschke, Hausarbeit im Rahmen der Trainer A Ausbildung im BDR:

Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit im Menstruationszyklus – das schwarze Loch der Trainingswissenschaften

Einleitung

„Scheint“, „vermutlich“, „möglicherweise“, „kann“ – das sind die Formulierungen, die auf die extrem dünne wissenschaftliche Erkenntnislage zum Thema Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit im Menstruationszyklus hinweisen. Die Autorin beklagt die unterschiedlichen Methodiken und Erhebungsgrundlagen und damit auch die Übertragbarkeit der wenigen Erkenntnisse auf den Leistungssport. Derzeit sind offenbar für viele Fragestellungen zur Trainierbarkeit und Leistungsfähigkeit von Frauen im Ausdauersport oder Kraftsport nur Tendenzen zu formulieren, deren Gültigkeit zudem individuell abgeprüft werden sollte.

 

Ergänzend zu den Aussagen der Autorin möchte ich darauf hinweisen, dass nach meinem Eindruck die bisherige dünne Studienlage offenbar nur bestimmte Altersgruppen berücksichtigt. Mädchen (Pubertät!) und junge Frauen oder Frauen in der Menopause werden offenbar noch gar nicht untersucht.

 

Besonders für das Training junger weiblicher Talente ist die wissenschaftliche Aufarbeitung mit konkreten Handlungsvorgaben für uns Trainer:innen im Umgang mit Mädchen und jungen Frauen sehr wünschenswert!

 

Das Thema ist offensichtlich deutlich komplexer als bisherigen Studien abbilden. Selbst mir als Laien fällt auf, wie wenige Wechselwirkungen in dieser Problematik bisher wissenschaftlich untersucht wurden. In dem Text habe ich folgende beschriebene Parameter und deren Wirkungen identifizieren können:

 

 

 

These 1:

 

Ausschließlich physiologische Daten erklären die Wirkungen des Menstruationszyklus auf Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit nicht hinreichend!

 

Mir scheinen die im Text angeführten Studien die physiologischen Einflussfaktoren auf leistungsbezogene Größen, die durch den Menstruationszyklus entstehen, zu fokussieren. Nur eine Studie, die die Wirkung von Testosteron Crewther & Cook, 2018) untersucht, kommt zur naheliegenden Erkenntnis, dass dieses Hormon die Wettkampfbereitschaft erhöht. Die psychischen Auswirkungen weiterer Hormone auf den Leistungssport werden nicht erläutert.

 

Kuhl (Kuhl, Herbert et al.: 2002 Sexualhormone und Psyche DOI: 10.1055/b-0034-19179) beschreibt, dass es durch das Wechselspiel von Östrogen zu Progesteron bei vielen Frauen zusätzlich zu physischen Folgen zum Stimmungswechsel kommt: Im Gegensatz zum euphorisierenden Östrogen hat Progesteron eine dämpfende und beruhigende Wirkung. Frauen sind weniger aktiv und fühlen sich oftmals müde, d.h. unter Umständen lassen Motivation bzw. mentale Stärke in diesen Phasen nach. Auch setzen Menstruationsbeschwerden ein oder nehmen zu, was ebenfalls nicht nur physische Auswirkungen zeigen wird. Auch zu dieser These wären weitere Studien wünschenswert.

 

 

 

These 2:

 

Wir (Frauen) wissen´s selbst nicht!

 

Anlässlich dieser Aufgabe habe ich in meinem Umfeld vier Athletinnen zu ihrer Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit befragt. Die erste Rückfrage: „Ist das (Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit) nicht das Gleiche? Diese Differenzierung scheint nur von akademischem Interesse und überfordert die Befragten.

 

Zweite überraschende Erkenntnis: Alle vier befragten Frauen sind sich in der Beantwortung sehr unsicher! „Ich meine beobachtet zu haben …“, so fangen die Antworten oft an. Nicht nur, dass die Problematik sehr individuell ist, die Probandinnen scheinen sich offenbar selbst nicht sicher zu sein. Eine langfristige, individuelle Dokumentation könnte eventuell die Aussagen und Erkenntnisse schärfen.

 

Oder: Ketzerisch könnte man daraus ableiten, dass die Wissenschaft nach etwas sucht, was zumindest für das Ausdauertraining gar nicht vorhanden oder nicht relevant ist?! Siehe S. 45, zweite Spalte Absatz 2: „Entgegen der Krafttrainingsstudie haben wir beim Ausdauertraining keinerlei Unterschiede zwischen follikelphasen- und luteralphasen-basierten Fahrradergometertrainings gefunden“!

 

Die zweite Erkenntnis aus meiner kleinen Befragung knüpft an These 1 an: Die Stimmungsschwankungen haben (besonders bei zunehmendem Alter) offenbar einen erkennbareren Einfluss als die physischen Faktoren. Immerhin drei von vier Frauen konnten eine Korrelation zwischen Stimmungsschwankungen mit der Trainings- oder Wettkampfmotivation feststellen.

 

 

Relevanz für meine Arbeit als Trainerin

 

Wie oben erwähnt würde ich mir besonders bei der Arbeit mit pubertierenden weiblichen Talenten mehr wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse wünschen. Trainingsumfang, -dichte und -intensität, Gewichtsoptimierung, Leistungsdruck im Hochleistungssport – das alles kann unter Umständen auch negativ auf den Menstruationszyklus wirken!

 

Im Umgang mit jungen Athletinnen würde ich mir mehr Handlungssicherheit durch wissenschaftliche Absicherung wünschen!