Nutrition Timing im Radsport bezieht sich auf die strategische Planung und Anpassung der Nahrungsaufnahme rund um das Training und den Wettkampf, um gewünschte Anpassungsprozesse zu unterstützen, die Leistung zu optimieren und die Regeneration zu unterstützen. Der Fokus liegt darauf, wann und was man isst, um sowohl die Energieversorgung während des Trainings als auch die Erholung nach dem Training optimal zu gestalten.
Im Folgenden findest Du grundsätzliche Hinweise für vier verschiedene Phasen:
Im Training ist das Prinzip recht einfach: Bei intensivem Training sollten deine Kohlenhydratspeicher gut gefüllt sein, bei Grundlagentraining sollten sie eher entleert sein. Für die Wettkampfvorbereitung gibt es spezifische Strategien zum sogenannten Carboloading. Besonders in längeren Wettkämpfen ist eine individuelle Strategie nach individuellen Bedarfen zu entwickeln.
Bei extensiven (GA1 Grundlagen-) Trainingsbelastungen sollte die Ernährung kohlenhydratreduziert und dafür fett-protein-betont mit etwas Obst und viel Gemüse sein. Verwende als Fette hochwertige pflanzliche Fette/Öle, reduziere u.U. tierische Fette. Auch bei Proteinen kannst Du auf pflanzliche Proteine zurückgreifen. Bei Fleisch als Proteinlieferant solltest Du bevorzugt magere, "weiße" Fleischsorten wie Huhn und Pute wählen.
Je geringer der Füllgrad der Kohlenhydratspeicher sind, desto schneller kommt der Körper in die Fettverbrennung. Einige Sportler trainieren 1- bis 2- mal pro Woche (morgens) nüchtern im GA1 Bereich. Ob Du komplett nüchtern startest oder die letzte (kohlenhydratreduzierte) Mahlzeit zwei bis drei Stunden her ist, wichtig ist in jedem Falle nach dem Start 20 bis 30 Gramm pro Stunde Kohlenhydrate (z.B. Riegel) aufzunehmen, ansonsten werden Proteine in der Arbeitsmuskulatur zur Energiegewinnung herangezogen (du wirst "katabol"). Ein komplettes Nüchterntraining im extensiven Bereich ist nicht sinnvoll!
Wer die Fettverbrennung noch weiter optimieren möchte, isst auch eine Stunde nach Beendigung des Trainings nicht. Dann aber vor allem proteinreich essen, also nicht komplett nüchtern bleiben, sonst werden Regenerationsprozesse behindert und die Infektanfälligkeit steigt.
Ist der Grundlageneinheit früh morgens, iss auch am Vorabend eher kohlenhydratreduziert und dafür fett-protein-betont.
Stehen intensive Einheiten wie VO2max oder EB (Entwicklungsbereich) in deinem Plan, sollte zwei bis drei Stunden vorher oder am Vorabend eine kohlenhydratbetonte (auf Basis von Nudeln, Kartoffeln, Reis) Mahlzeit gegessen werden. Während des Trainings sollte ab der zweiten Stunde eine Kohlenhydratzufuhr erfolgen mit circa 40 bis 60 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde erfolgen.
Nach dem Training kohlenhydrat- und vor allem proteinreich essen, auch wenn die nächste Einheit extensiv erfolgt. Die Regeneration geht in diesem Falle vor!
Eine scharfe Abgrenzung zwischen extensivem und intensivem Training gibt es nicht. Daher ist die Ernährung entsprechend anzupassen. Low Carb und High Carb stellen die beiden Pole dar.
Während den letzten Tagen vor einem Wettkampf geht es primär um Regeneration und das Auffüllen der Muskelglykogenspeicher auf einen möglichst hohen Wert.
Ein effektives Vorgehen besteht darin, die Kohlenhydratzufuhr für 1 bis 2 Tage vor dem Wettkampf stark zu erhöhen, ohne die vorherige völlige Entleerung der Muskelglykogenspeicher (zweifelhafte, oft unverträglichere Methode). Zwar kommt es auf diese Art nicht zu einer maximalen Superkompensation der Glykogenspeicher, allerdings ist die Verträglichkeit besser und die Ergebnisse sind recht ähnlich.
Praktisch-erprobtes Konzept:
Bei diesem Schema wird drei Tage vor dem Wettkampf mit der Erhöhung der Kohlenhydratzufuhr begonnen. Zwei Tage vor dem Wettkampf erfolgt der Tag mit der höchsten Kohlenhydratzufuhr. Am Tag unmittelbar vor dem Wettkampf wird die Kohlenhydratzufuhr wieder reduziert, um vor allem dem Magen-Darm-Trakt etwas Ruhe zu gönnen. Die zugeführten Kohlenhydrate dienen jetzt nur noch dazu, die Glykogenspeicher voll zu halten. Am Wettkampftag selbst sollte die Verdauungstätigkeit entsprechend abgeschlossen sein, die Glykogenspeicher sind gefüllt und die Sportlerin oder der Sportler top fit und gut vorbereitet.
Die letzte vollständige Mahlzeit vor einem Wettkampf sollte etwa 3 Stunden vor Beginn des Warm-Ups zugeführt werden. Diese Mahlzeit sollte leicht verdaulich, reich an Kohlenhydraten und mit einem moderaten Anteil an Protein und Fett ausgestattet sein.
Etwa 60 Minuten vor dem Start können weitere 0,5 bis 1g Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht zugeführt werden. Optional in Kombination mit 100-200mg Koffein. Hier gilt jedoch: Neben dem Beachten der individuellen Verträglichkeit sollte dieses Vorgehen bereits im Training getestet worden sein, um unvorhergesehene Unverträglichkeiten zu vermeiden.
Während der Belastung kann mit Gels oder kohlenhydratreichen Getränken gearbeitet werden. Die Versorgung mit Kohlenhydraten ist eine Wissenschaft für sich. Dazu habe ich ein gesondertes Essay geschrieben. Hier die Zusammenfassung:
Zur einfachen, direkten Berechnung des Kohlenhydratbedarfes in Gramm pro Stunde aus der Leistungsmessung des Powermeters sind in folgender Formel alle Faktoren zusammengefasst:
Energiebedarf (KH in Gramm/h) = P (Watt) * KHx * 0,86
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P = Leistung am Powermeter
KHx = prozentualer Anteil der Kohlenhydratverbrennung am Gesamtumsatz für die Leistung P (sehr individueller Wert! Kann nur durch eine Leistungsdiagnostik näherungsweise bestimmt werden)
0,86 fasst alle dimensionslosen Faktoren zusammen
ACHTUNG: Berücksichtige, dass unser Körper nicht mehr als circa 60 Gramm Kohlenhydrate je Stunde (etwas mehr, wenn Glucose und Fructose enthalten sind) verstoffwechseln kann.
Fahren wir dauerhaft mit einer höheren Belastung, entleeren sich zwangsläufig die Speicher. Radsportler bezeichnen das als „Hungerast“, Marathonläufer als „Mann mit dem Hammer“.
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Zur Proteinversorgung werden eine Vielzahl von Shakes, Riegel, Pulvern, Kapseln etc. angeboten. Besonders in Fitnessstudios werden diese mit großer Selbstverständlichkeit und sehr kritiklos konsumiert. DAS IST GROBER UNFUG!
Eine gesunde, ausgewogene Ernährung versorgt uns ausreichend mit Proteinen. Industrielle Produkte sind zum Teil sehr zweifelhafte Chemiebomben. Ein Glas Milch, eine Portion Quark, Haferflocken, Linsen, Hummus, Nüsse – es gibt viele natürliche Lebensmittel, die weitaus gesünder sind.
Auch weitere Supplemente oder Nahrungsergänzungsmittel sind bei ausgewogener Ernährung völlig überflüssig. Unfassbar, was uns immer wieder suggeriert wird! Magnesium, Zink, Beta – Analin, Kreatinphosphat, Omega-3 Kapseln, Vitamine aller Art. Lass die Finger davon!
Das größte und gesündere Potential steckt in Optimierung deiner Ernährung und deines Trainings!
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Anders ist es, wenn Erkrankungen vorliegen. Dann kann in Absprache mit einem Arzt eine Supplementierung bestimmter Stoffe indiziert sein.
Wer sicher gehen will, dass Produkte (auch Riegel, Gels, Kohlenhydratpulver) nicht mit Dopingsubstanzen verunreinigt sind, findet in der Kölner Liste konkrete Produkte, die von einem unabhängigen Institut getestet wurden:
https://www.koelnerliste.com/produkt-datenbank
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Zu meiner Ausbildung als DOSB/BDR Trainerin A habe ich einige Zusatz -Ausbildungen absolviert.
Zertifikat "BDR Ernährungs- Instruktor"