Norwegen stand seit Jahren ganz oben auf meiner Wunschliste. Nach vielen Recherchen stand die Route für meine dreiwöchige Tour fest: Es ging mit der im April 2022 neu in Betrieb genommenen Fährlinie von Eemshaven* (nur 75 km und eine Emsfähre von meinem Heimatort) nach Kristiansand in Südnorwegen.
Meine Route führt mich gegen den Uhrzeigensinn ca. 1500 Kilometer auf eine Rundtour von /nach Kristiansand. Auf dem Weg sah ich die größte Stabkirche Norwegens in Heddal, fuhr dann von Geilo aus über den berühmten Rallarvegen, der als schönster Radweg Norwegens gilt, nach Flam. Entlang der Flambahn (eine der steilsten Bahnstrecken der Welt) geht es runter zum Sognefjord, den ich mit der Schnellfähre durchquerte. Dann ging es entlang der Küste über Haugesund, Bergen, Stavanger zurück nach Kristiansand.
(*Anmerkung: die Reederei ist leider insolvent. Der Fährbetrieb, der zwischenzeitlich erst ab Cuxhafen, dann ab Emden ablegte, ist eingestellt)
Die Landschaft ist an vielen Stellen derart atemberaubend schön, dass es schwer fällt eine Rangliste zu erstellen. Hier ein Versuch:
Mein Highlight ist der Rallarvegen durch die Hardangervidda. Von Haugestol Richtung Flinse ist er sehr gut befahrbar. In der großen, modernen Trekkinghütte in Flinse sollte man unbedingt einen Übernachtungstop einplanen (ohne Mitgliedschaft möglich, vorbuchen in der Hauptsaison sinnvoll. Ein Zelt findet aber immer Platz) und sich mindestens einen Tag für die Hardangervidda einplanen und zum Beispiel zum Hardanger Gletscher wandern. Einfach nur "durchfahren" wird der fantastischen Landschaft nicht gerecht!
Der zweite Teil von Flinse nach Flam ist anspruchsvoller, da die Wegbeschaffenheit erheblich schlechter wird. Falls man plant die Richtung umzukehren (also von Flam nach Haugestol) wird man passagenweise schieben müssen, da es zum Teil EXTREM steil wird. Abfahren ist erheblich leichter.
Ich hatte im zweiten Teil des Rallarwegens (7. Etappe Video) einen hefigen Kälteeinbruch mit stürmischem Wind, Schneefall und Temperaturen wenig über Null. Achtung: Der Rallerwegen wird erst ab Mitte Juli überhaupt geöffnet. Selbst dann findet man noch große Schneefelder, durch die man das Rad nur schieben kann.
Sehr hilfreich ist die von Norwegern meistgenutzte norwegische Wetterapp: YR.no
In einem Video habe ich meine Erfahrungen zur Vorbereitung und Durchführung der Bikepacking Tour durch Norwegen zusammengestellt.
Inklusive beeindruckender Videoaufnahmen und Fotos mit herrlichen Landschaftsaufnahmen.
In meinem YouTube - Kanal findest Du viele weitere Videos zum Thema Bikepacking:
Routenplanung, Navigation, Anreise
Wie immer habe ich meine Route mit Komoot geplant und mit dem Garmin 1030 navigiert.
Unterwegs habe ich geringfügige Anpassungen vorgenommen. Insbesondere an der Küste bin ich ab Bergen ab und an mehr dem Euroradweg 1 gefolgt als meiner vorgeplanten Route. Der Euroradweg 1 ist hervorragend ausgeschildert, führt durch schöne Gegenden und leitet einen auch gut durch die Städte.
Anreise erfolgte per Fähre von Eemshaven NL nach Kristiansand. Diese Fährverbindung gab es seit April 2022. Sie wurde vorübergehend nach Emden verlegt. Eine Kabine ist verpflichtend. Kosten ab ca. 450€ hin/rück Innenkabine, ohne Verpflegung). Mahlzeiten im Restaurant des Schiffes sind teuer. Die Fahrradmitnahme ist problemlos buchbar. Die Abstellung der Räder allerdings sehr lieblos - "ungeschütztes Haufenlager".
Achtung: Die Reederei hat im September '23 Insolvenz angemeldet. Eine Fortsetzung des Fährbetriebs ist fraglich!
Klick HIER für den Link zur meiner Route auf Komoot.
Straßen
Dank Komoot habe ich viele tolle (Gravel-) Nebenwege gefunden. Besonders im Landesinneren findet man einsame Strecken durch die Wälder. Aber auch die Straßen sind dort wenig befahren. Der Verkehr hat mich dort nie gestört.
Anders an der Küste. Die Hauptverkehrsstraßen kann man beim "Inselhopping" nicht immer vermeiden. Das kann gelegentlich schon gehörig nerven, auch wenn die Norweger keine aggressiven Autofahrer sind.
Nicht zu unterschätzen sind in den tiefen Fjorden die zum Teil kurzen, aber steilen Stiche. Steigungen über 10% sind nicht selten. Allerdings auch nicht lang. Die Übersetzung sollte angepaßt sein. Meine höchste Übersetzung war 33 (vorn)/36 (hinten).
Radwege sind teils sehr großzügig, zweispurig, mit bevorzugter Verkehrsführung, teils allerdings auch gar nicht vorhanden. Auch Norwegen braucht Zeit, die Prioritäten in der Verkehrsplanung zukunftorientiert anzugehen.
Alles in allem, bis auf wenige Kilometer auf unvermeidbaren Hauptverkehrsstraßen, habe ich mich sehr sicher gefühlt.
Tunnel
Sehr wichtig ist es, gutes, verlässliches Licht am Rad zu haben. Die meisten Tunnel sind gut beleuchtet, aber dennoch recht dunkel. Einige wenige sind allerdings vollkommen unbeleuchtet! Unbedingt vorher informieren, ob ein Tunnel mit dem Rad befahren werden darf! Im Zweifel sind lange Umwege erforderlich. Infos gibt es hier:
An manchen Tunneleingängen kann man als Radfahrer ein Signal betätigen, das die Autofahrer warnt, dass sich ein Radfahrer im Tunnel befindet - sehr klasse!!!
Brücken
Bei "Inselhopping" an der Westküste lassen sich die vielbefahrenen Hauptstrassen nicht immer vermeiden. Einige Brücken sind eng und ohne Radstreifen, viele (neuere) habe einen sicheren Radweg.
Vereinzelnd gibt es auch Brücken, die für Radfahrer gesperrt sind (Brücke E39 zwischen Flekkfjord und Lyngdal)
Sind Tunnel oder Brücken für Radfahrer gesperrt, sind unter Umständen sehr große
Alternativ kann man versuchen mit einem Linienbus diese "Hindernisse" zu überwinden. Manchmal gehört etwas freundliche Überredungskunst dazu, den Fahrer zu überzeugen, dass die Räder verladen werden müssen.
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Fähren
Ohne Fähren geht nichts. Toll: Fähren sind für Radfahrer und Fußgänger kostenlos! Nur die Schnellfähre durch den Sognefjord war kostenpflichtig. Und teuer. Einige Fähren legen übrigens nur ab, wenn man sie vorher anruft.
Tipp: Auf den Fähren findet man in der Regel einen Aufenthaltsraum mit günstiger Gastronomie. Keine Ahnung wieviel (norwegischen) Lapskaus dort gegessen habe ;-)
Folgende Apps und Webseiten helfen bei der Planung:
Camping
Norwegen ist das Land der Wohnmobile. Entsprechend viele Campingplätze findet man, auf denen ein Zelt immer noch Platz findet, auch in der Hochsaison. Im Landesinneren kann der Abstand zwischen den Campingplätzen für Bikepacker schonmal größer werden.
Ich habe zur Suche die Norcamp - App verwendet. Für mich ein Benchmark unter allen Camping Apps!
Einige Plätze sind zum Teil wie Ferienparks ausgestattet, mit allem Komfort (Waschmaschine, Trockner, Kinderanimation Grillplätze, uvm.) und dementsprechend teuer. Für eine Nacht kann ein Zeltplatz dann über 40€ kosten! Auf kleineren Plätzen liegen die Preise bei humanen 15 bis 20€ Trotz der Infrastuktur sind die Bereiche für Zelter oft lieblos: kaum Tische/Bänke, keine Möglichkeit Powerbanks und Elektronik zu laden.
Da in Skandinavien das Jedermannsrecht gilt, darf mit wenigen Einschränkgungen wild gecampt werden.
Hotels
Hotels sind teuer. Selbst für einfache Unterkünfte zahlt man schnell über 100€ pro Nacht. Zu finden sind sie über Airbnb oder booking.com.
Warmshowers ist in Norwegen weniger bekannt, daher habe ich keine privaten Unterkünfte genutzt.
Wie alle meine Räder ist auch das Reisegravel selbst gebaut. Für die Experten:
Das Taschensetup für diese Tour:
Das Wetter in Norwegen ist unbeständig. Von 0° bis 30° hatte ich alles. Inklusive Wind und Regen. Die Ausrüstung sollte also maximal flexibel sein. Dass das nicht gleich "viel Gepäck" heißt, kannst Du in meinem Video sehen. Ich bin mit einer Ausrüstung von insgesamt 8,5 kg inklusive Campinausstattung, Kocher, Werkzeug, Elektronik und Kleidung ausgekommen. Plus Gewicht der Taschen und Nahrung kamen maximal ca. 12 Kg an´s Rad.
Besonderheiten in der Ausrüstung sind Zeckenzange und ein feines Moskitonetz für den Helm. Die winzig kleinen Mücken können in manchen Gebieten, besonders im Landesinneren, eine echte Plage sein. An der Küste hatte ich weniger dieser Viecher.
Um die Elektronik wie Navi, Handy und Powerbank aufzuladen, muss man auf den Campingplätzen in der Rezeption oder bei Wohnmobilisten nachfragen. Oder unterwegs jeden Stop im Café nutzen. Solarpanele habe ich nicht dabei - schwer und sehr geringe Ausbeute. Dann lieber eine richtig "fette" Powerbank, wie mein Lupine Akku mit 50 Wh.
Für mich ein durchaus schwieriges Thema, da ich mich sehr bewußt ernähre. Die Norweger sind keine großartigen Gourmees. Selbst in besseren Hotels findet man eher nur Hamburger und Pizza auf
der Karte, als landestypische Gerichte. Und das ist dann auch noch teuer. Sehr teuer.
Ich hatte 16 Portionen selbsterstellte Trockennahrung dabei, die am Ende der Reise komplett verbraucht war. Ansonsten habe mich in Supermärkten versorgt und auf dem kleinen Campingkocher gekocht. Am Ende der Reise waren 3 kg weg (nicht gut!).
Wasser ist in Norwegen kein Problem. Die Flüsse oder Wasserfälle sind in der Regel sauber. Ich hatte nicht mal einen Filter dabei.
Gezahlt wird ÜBERALL mit digital mit Karte oder App. Wer auffallen will, zahlt mit Bargeld.
Lesertipp!
Stephan, ein Leser dieser Seite, hatte sich vor seinem Norwegentrip bei mir gemeldet und viele Fragen zur Vorbereitung und zur Durchführung gestellt. Anschließend hat er mit einen tollen Bericht geschickt! Man sieht: Jeder kommt mit anderen und neuen Erfahrungen nach Hause! Einige Links auf dieser Seite hat Stephan beigtragen - Danke dafür!
Lier HIER, was seine hilfreichen Erfahrungen sind:
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Ich habe jeden Tag einen kurzen Bericht zu meinen Etappen geschrieben. Klicke einfach auf eine Kachel und Du kannst mitlesen, in Videos und Fotogalerien schmökern.
Mein absolutes Highlight: Etappe 7 auf dem Rallarvegen. Schau das
Video!